Zum ersten Mal alleine in Kapstadt
Seit dem Baubeginn pendle ich nun zwischen Deutschland und Kapstadt und genieße es. Es war das erste Mal, dass ich alleine auf mich gestellt so ein großes Projekt angegangen bin. Natürlich habe ich Klaus im Hintergrund, aber der hat beruflich bedingt nicht so furchtbar viel Zeit, sich um all diese Details zu kümmern.
Bisher war ich mit meinem Englisch immer ganz gut durchgekommen. Zur Not war Klaus, der die Sprache beruflich verhandlungssicher beherrscht, immer da und hat übernommen. Nun musste ich aber selber mit vielen Handwerkern und Zulieferern reden. Ich hatte schon Respekt vor der Situation. Aber es hat sich das gezeigt, was mir vorher viele gesagt hatten: Man lernt eine Sprache so viel schneller in der Praxis. In der Schule habe ich all die Bauvokabeln, Redewendungen und was man alles so braucht, nicht gelernt. Bis heute bin ich aber immer wieder froh, wenn ich Jeanette in Meetings, die den Bau betreffen, an meiner Seite habe 😉.
Im Januar 2022 flog ich nun erstmals für 2 Monate alleine nach Kapstadt. Es war das erste Mal seit 30 Jahren, dass mich keine Kinder und kein Klaus begleitet haben. Was soll ich sagen? Ich musste mich zuerst mal darauf einlassen, aber dann war es wunderschön, meinen Tagesablauf, meine Aktivitäten und meine Geschwindigkeit ganz alleine bestimmen zu können. Ich habe es so genossen.
Boulder’s Beach
Ich hatte genug Zeit, neben all den Terminen, die den Bau betrafen, einfach mal Kapstadt und Umgebung in aller Ruhe zu genießen. Normalerweise nimmt man sich als Tourist einen Tag Zeit, um beispielsweise die Kaphalbinsel zu umrunden. Klar ist das zu schaffen, aber es ist so viel schöner, sich z.B. mal einen ganzen Tag alleine für Boulder´s Beach nehmen zu können. Wenn die meisten spätestens am frühen Nachmittag schon wieder aufgebrochen sind, kann man in aller Ruhe hinten, zwischen den Felsen, bei den Pinguinen sitzen und mit ihnen schwimmen gehen. Ein tolles Erlebnis.
Cape of Good Hope National Park
Genauso ist es mit dem Cape of Good Hope National Park. Meistens fährt man zum berühmten Schild am Cape of Good Hope, dann noch zum Cape Point, hoch zum Aussichtspunkt und wieder weiter die westliche Seite der Kaphalbinsel entlang. Ich habe mir die Zeit genommen, zunächst vom Parkplatz am Cape of Good Hope über den wohl südlichsten Wanderpfad Afrikas, vorbei am menschenleeren und traumhaft schönen Diaz Beach zum Cape of Good Hope zu wandern.
Danach war ich noch am Platboom Beach, habe den Surfern beim Wellenreiten und einigen Straußen, die dort durch die Dünen liefen, zugeschaut.
Olifantsbos
Auf dem Weg nach Olifantsbos konnte ich dann eine große Paviankolonie beobachten. Es fiel mir schwer, weiter zu fahren, aber ich wollte ja noch den Shipwrecktrail gehen. Der verläuft vom dortigen Parkplatz aus zunächst an der Küste entlang Richtung Süden. Wir haben da in den vergangenen Jahren immer einen großen Walknochen gesehen. Ich bin kein Anatom, aber er sieht aus, wie ein großer Wirbel, man erkennt das Blasloch, also ist es vielleicht der Atlaswirbel? Auch einen ganzen Buckelwal haben wir dort schon liegen sehen. Die seitlichen Flipper waren gut zu erkennen. Die Haut war ganz eingetrocknet und er roch gar nicht unangenehm. Zuerst dachten wir, wir würden auf einem Stein stehen, bis wir voller Aufregung unseren Irrtum bemerkten…
Zuerst geht es entlang der Küste, vorbei an vielen Vogelschwärmen: Sacred Ibis, Kormorane, Black Oystercatcher, Egyptian Geese… . Nach etwa einer halben Stunde erreicht man dann das erste Schiffswrack, die Thomas T. Tucker. Sie war ein US-amerikanisches Schiff, dass 1942 beladen mit Truppen und Waffen, in dem Versuch von deutschen U-Booten nicht entdeckt zu werden, im Nebel zu nah an der Küste entlang gesegelt war.
Weiter geht es an der Küste entlang, bis die Nolloth, die 1965 sank, in das Blickfeld gerät.
Dort biegt man links ab, geht hoch auf den nächsten Bergrücken und läuft dann oben parallel zur Küste wieder zurück zum Parkplatz. Es ist wunderschön…
Kleine Karoo
Ich hatte natürlich immer mal wieder Tiere gesehen, aber schon so lange keine Elefanten oder Löwen mehr. Da ich nicht die Zeit hatte, in den Norden zu fliegen, fiel meine Wahl auf einen Wochenendausflug in die Klein Karoo, in die privat geführte White Lion Lodge von Gerry im Sanbona Wildlife Reserve.
Alleine der Weg dahin über Worcester, Robertson, den tollen Kogmanskloofpass entlang der R62 war atemberaubend. Nur nebenbei: Keine Frau sollte sich einreden lassen, dass sie nicht alleine durch Südafrika fahren kann. Gerade in ländlichen Gebieten ist das nach meinen Erfahrungen völlig problemlos möglich. Ich verlasse mich hier immer auf mein Bauchgefühl und bin damit noch nie enttäuscht worden.
In der White Lion Lodge war es einfach traumhaft schön. Gerry hat dort einen tollen Ort geschaffen, ich habe mich super wohl gefühlt. Jeden Morgen und Abend machten wir einen Game Drive und haben tatsächlich Elefanten, weiße und „tawny“ Löwen, Zebras, viele Antilopen, Giraffen und, und, und gesehen. Immer wieder ein Traum. Ebenso wie die Mahlzeiten bei Gerry, die wunderschön eingerichtete „Hütte“, der herrliche Pool, die netten Mitarbeiter, die interessanten anderen Gäste, die man dort trifft und nachts dieser atemberaubende Sternenhimmel…
Wanderungen
Da ich meiner Familie versprechen musste, immer vorsichtig zu sein, habe ich mich für einige Wanderungen diversen Gruppen angeschlossen. Gleich zu Beginn habe ich bei Stefanie Dohrmann eine Wanderung mit Yoga-Session gebucht. Wir starteten quasi hinter unserem zukünftigen Gartentor und sind runter zum alten Schiffswrack hinter Sandy Bay gelaufen, danach rüber zum Strand von Llandudno, wo wir Yoga gemacht haben. Steffie wollte unser Englisch verbessern – wir waren bis auf eine Südafrikanerin alles Schweizer oder Deutsche – und hat alles auf Englisch gemacht, ging zu meiner großen Freude ohne Probleme. Auch hier durfte ich wieder nette Menschen persönlich kennen lernen, die ich z.T. schon aus Facebook-Gruppen „kannte“. Liebe Grüße an Sandra und Stephanie.
Außerdem habe ich noch kurzfristig einen Platz für eine Wanderung in die Orangekloof zu einem Wasserfall mit Yogastunde dort bekommen – die Kombi scheint sehr beliebt zu sein in Kapstadt. 😉
Mit Brent, dessen Firma Karbonkelberg Tourism heißt, habe ich noch eine Wanderung auf den Sentinel gemacht. Das ist der markante Berg, der die Bucht von Hout Bay zum offenen Ozean abgrenzt. Wir sind am Nachmittag mit einer Gruppe hochgewandert, haben den Sonnenuntergang bestaunt und dann den Aufgang des vollen Mondes auf der anderen Seite beobachtet – magisch. Brent ist ein Khoi, gehört also zu der Gruppe der Ureinwohner, die ihren Lebensunterhalt früher mit Fischen verdient haben. Er wohnt in Hangberg, dem Township in Hout Bay, in dem Coloureds leben. Daneben gibt es noch Imizamo Yethu, hier leben schwarze Menschen. Brent ist nicht wirklich gut auf Weiße und Schwarze zu sprechen. Es gibt hier natürlich historisch bedingt viele Ressentiments und Vorurteile. Ich bin der festen Überzeugung, dass nur persönliche Beziehungen und Gespräche helfen, die Situation zu verbessern und versuche, meinen Teil dazu beizutragen.
Paragliding
Eines Tages saß ich etwas frustriert am Pool des Guest Houses, in dem ich wohnte, herum. Der zweite Versuch, einen Brunnen zu bohren, war gerade erfolglos abgebrochen worden. Monty, der gute Geist des Hauses, sah mich und fragte, was mit mir los sei, ich sähe so traurig aus. Ich solle etwas machen, was mein Hirn freiblasen würde.
Kurz nachgedacht, schon kam mir eine Idee: Ich könnte doch mal auf den Signal Hill fahren und schauen, ob ich einen Paragliding-Tandemsprung machen konnte. So oft waren wir schon dort, aber nie ließen die Wetterbedingungen das zu. Entweder gab es zu viel oder zu wenig Wind oder er kam aus der falschen Richtung. Außerdem bin ich mir sicher, auch wenn die Bedingungen perfekt gewesen wären, hätte ich meine Familie fliegen lassen und wäre mit dem Auto runter nach Greenpoint gefahren, um sie dort wieder einzusammeln. Aber jetzt war meine Zeit. Also, nicht lang nachgedacht und ab auf den Signal Hill. Die Wetterbedingungen waren gut, ich habe meinen Flug gebucht. Ein paar Leuten habe ich zugeschaut. Man rennt den Hang hinunter ins Nichts und fliegt dann los. Etwas mulmig war mir dann schon, als ich an der Reihe war. Aber Augen zu und durch. Manchmal muss man den Kopf einfach ausschalten! Los ging´s. Was soll ich sagen. Wir hatten ein Riesenglück. Im Unterschied zu all denen, die ich vorher beobachtet hatte, erwischte uns eine Thermik, die uns direkt nach dem Start hoch und immer höher in die Lüfte schraubte. Dabei ist es absolut friedlich, kein Motorenlärm beim Fliegen, man fühlt sich wie ein Vogel. Irgendwann sind wir dann rüber über den offenen Atlantik geflogen und haben dort im Kelp Delfine und dann sogar noch einen Mondfisch gesehen, der sich in der Sonne friedlich dahingleiten ließ. Es war ein großartiges Erlebnis und es hat funktioniert. Mein Kopf war wieder frei und ich konnte frohgemut voran schauen.
Der arme Klaus saß in seinem winterlichen Büro in Deutschland und bekam völlig unerwartet die Fotos meines Fluges. Damit hatte er so gar nicht gerechnet…